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Ein Abenteuer mit AI

"Ganz neue Welten"

Ein Abenteuer mit AI

Enge Partner: Julie Souza, Head of Sports bei AWS, und DFL-Geschäftsführer Steffen Merkel.

Enge Partner: Julie Souza, Head of Sports bei AWS, und DFL-Geschäftsführer Steffen Merkel. IMAGO/Beautiful Sports

Football as it's meant to be - mit diesem internationalen Claim wirbt die DFL seit einigen Jahren für die Bundesliga. Fußball, wie er sein sollte - zumindest in den Augen der DFL-Verantwortlichen. Diese sehen die Bundesliga vor allem auch als Innovationsführer im Profifußball. Die modernsten Stadien, die vielfältigsten Kameraperspektiven, den umfassendsten Datenschatz, die eigene mediale Wertschöpfungskette: Im Bereich "Technik und Innovation" glänzt die Liga seit Jahren und will weltweit eine Benchmark für andere Ligen setzen. Diese Strategie wird auch durch die Rekordzahlen im kürzlich veröffentlichten DFL-Report bestätigt.

Um den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen und die eigene Wertschöpfungskette weiter aufzuwerten, setzt die Liga nun verstärkt auf künstliche Intelligenz (KI). So verkündete DFL-Geschäftsführer Dr. Steffen Merkel jüngst auf der Messe SportsInnovation in der Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena, dass Amazon Web Services (AWS) künftig der offizielle "Generative AI-Provider" der DFL wird. Folglich liegt ein zusätzlicher Schwerpunkt der bereits bestehenden Partnerschaft auf der Nutzung von generativer künstlicher Intelligenz (Gen AI).

Mit den Möglichkeiten von KI tun sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette auch im Sport ganz neue Welten auf.

Steffen Merkel

"Digitalisierung, Internationalisierung, Vermarktung, Medienproduktion, Content-Kreation: Mit den Möglichkeiten von KI tun sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette auch im Sport ganz neue Welten auf", sagte Merkel auf der von DFL, Spielmacher und D.LIVE in der vergangenen Woche ausgetragenen Sportmesse und führte fort: "Die Möglichkeiten durch technologische Innovation sind mehr als faszinierend. Im Moment gilt das besonders für den Bereich der KI."

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Auf diesem Gebiet arbeitet die DFL nun verstärkt mit einem Experten zusammen: Die Amazon-Tochter AWS ist ein US-amerikanischer IT-Dienstleister, der im Bereich Cloud-Computing weltweit führend ist und eine große Gen-AI-Expertise mitbringt. Das Unternehmen kooperiert im Sport bereits mit großen Ligen und Verbänden wie der NFL, der Formel 1 oder der PGA-Tour. Schon seit 2020 werkeln DFL und AWS unter anderem im Bereich Datenanalyse zusammen, etwa bei der Entwicklung der "Bundesliga Match Facts", ein umfassendes Angebot an innovativen Echtzeitanalysen auf Basis offizieller Bundesliga-Spieldaten, das Daten zu Torwahrscheinlichkeiten (xGoals), Torabschlüssen, Standards, Pass-Profilen und vieles mehr liefert.

"Wir haben das gleiche innovative Mindset"

Nun soll auch Gen AI zur Weiterentwicklung des Bundesliga-Produkts beitragen. "Wir haben das gleiche innovative Mindset und ähnliche Visionen. Dabei profitiert die DFL von unserer Expertise und wir erfahren, welche Inhalte bei den Menschen ankommen, was uns wiederum viel Wissen über die Anwendungsmöglichkeiten und Zielgruppen unserer Technologien bringt. Diese Erfahrungen können wir folglich auch in unseren anderen Partnerschaften einfließen lassen", erklärt Julie Souza, Global Head of Sports bei AWS, den Win-win-Effekt der Partnerschaft.

Fans sollen sich künftig ihr eigenes Bundesliga-Abenteuer aussuchen können

Nun mag sich mancher Fan die Frage stellen, was Gen AI genau ist, verglichen mit einer herkömmlichen künstlichen Intelligenz, wie sie etwa zu Hause von Sprachassistenten wie Siri oder Alexa angewendet wird. Gen AI ist nach AWS-Definition eine Weiterentwicklung davon, der "next step" sozusagen: Sie ist eine Art künstlicher Intelligenz, die anhand bereits ins System eingegebener Daten selbstständig neue Inhalte wie Konversationen, Geschichten, Bilder, Videos und Musik erstellen kann. Davon will die DFL in Kooperation mit AWS künftig mehr Gebrauch machen. "Wir wollen dazu beitragen, die Bundesliga zielgruppengerecht zu allen Menschen rund um den Globus zu bringen", schildert die US-Amerikanerin Souza ein Ziel des gemeinsamen Vorhabens. Sie beschreibt es in ihrem schnittigen amerikanischen Englisch mit folgendem Satz: "Choose your own adventure" - was im Kontext dieser Kooperation so viel bedeutet wie: Fans sollen sich künftig ihr eigenes Bundesliga-Abenteuer aussuchen können.

Um dieses Abenteuer wahr werden zu lassen, haben die beiden Partner neue Projekte definiert, um die Bundesliga mithilfe von Gen AI und Cloud-Computing weiter voranzutreiben. Dabei geht es vor allem um Weiterentwicklungen in den drei Bereichen "Fan Experience", "Media Production" und "Data Services". So sollen im Bereich "Fan Experience" Bundesliga-Fans im In- und Ausland noch gezielter angesprochen werden, zum Beispiel mit automatisierter Übersetzung, Personalisierung und Lokalisierung. Auf diese Weise können Fans z. B. in einer bestimmten Sprache (je nach Land) oder in einer bestimmten Sprachart (je nach Alter) angesprochen werden. Auf ähnliche Weise automatisierte Highlight-Videos der DFL sind bereits seit Längerem im Einsatz. "In Nigeria steht ein Highlight-Clip von Victor Boniface schnell zur Verfügung, in England ein Video mit dem jüngsten Traumtor von Harry Kane - und in Japan ein Zusammenschnitt mit den besten Szenen des Spieltags von Hiroki Ito, Ritsu Doan und Takuma Asano", erklärt Merkel.

Mit Gen AI scheint nichts undenkbar

Im Bereich "Media Production" will die DFL vor allem die große Stärke von AWS im Bereich Cloud-Computing für ihre Interessen nutzen und sich nachhaltiger aufstellen. So sollen viele logistisch aufwendige Prozesse bei der Produktion von Bundesliga-Content in eine Cloud-Infrastruktur wandern. Auf diese Weise könnte man sich beispielsweise vielerorts Übertragungswagen sparen, was wiederum kostengünstiger und umweltfreundlicher wäre. Ähnliche Hybridmodelle einer Medien- produktion gibt es auch in anderen Sportarten wie etwa der Formel 1. Darüber hinaus besitzt die DFL ein Bewegtbild-Archiv mit weit über 200.000 Stunden Bundesliga-Material - das weltweit größte Fußball-Archiv und ein Datenschatz, der ebenfalls in einer Cloud-Infrastruktur für Medien und Fans zugänglich gemacht werden könnte. Mithilfe von künstlicher Intelligenz könnten künftig sogar historische Spielszenen wie etwa das allererste Bundesligator von Timo Konietzka, das 1963 von keiner Kamera aufgenommen wurde, zum Leben erweckt und authentisch reproduziert werden. Mit Gen AI scheint nichts undenkbar.

Schließlich sollen im Zuge der erweiterten AWS-Kooperation im Bereich "Data Services" Spielerereignisse automatisch erkannt werden und noch mehr Statistiken für Medien und Fans aufbereitet werden können. Hier will sich vor allem auch die DFL-Tochter Sportec Solutions mit ihrem erweiterten Bundesliga-Statistik-Portfolio als "Global Leader" in der Welt der Sportdaten positionieren und ein Vorbild für andere Ligen schaffen.

All dies soll die Bundesliga als Produkt attraktiver und wertvoller machen

Ein spannender Aspekt, gerade vor dem Hintergrund der bald anstehenden DFL-Medienrechtevergabe. Und doch stellen sich auch Fragen nach den Risiken und Gefahren einer verstärkten Anwendung von künstlicher Intelligenz. Was ist noch echt und was nicht? Wie transparent wird die Technologie eingesetzt? Riskiert die DFL nicht auch einen Vertrauensverlust bei ihren Fans? In diesem Punkt ist Merkel klar: Man werde verantwortungsvoll mit neuen Technologien umgehen und entsprechende Vorkehrungen treffen. So wolle man auch mit einem gut funktionierenden Kompass in der Sportwelt vorangehen: "Die DFL erarbeitet aktuell Guidelines zur Nutzung von KI. Wir werden bei der Erstellung von kreativem Content sicher auf KI zurückgreifen, wann immer es möglich und hilfreich ist. Aber das Original wird stets die Basis bilden und wir werden immer deutlich machen, was echt ist - und was nicht." Fußball, wie er sein sollte also? Eine Frage, die jeder Fan in den nächsten Jahren für sich beantworten kann.

William Harrison