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DFL-Investor: "Eine Strategie der Liga wurde nie kommuniziert"

Wirtschaftswissenschaftler Zülch im Interview

"Eine Strategie der Liga wurde nie kommuniziert"

Henning Zülch hält eine Partnerschaft der Liga mit einem Geldgeber für nötig.

Henning Zülch hält eine Partnerschaft der Liga mit einem Geldgeber für nötig. imago images/Picture Point

Nach enormen Fanprotesten beendete das Präsidium der Deutschen Fußball-Liga (DFL) kürzlich die Verhandlungen über den Einstieg eines strategischen Partners in die Bundesliga und die 2. Liga. Ein Deal, der bis zu einer Milliarde Euro in die Kassen der DFL gespült hätte, um davon mit rund 600 Millionen Euro das Geschäftsmodell der Liga zu stärken respektive auszubauen. Investitionsbedarf bleibt dennoch, das dürfte allen klar sein.

Prof. Dr. Henning Zülch ist nach wie vor der Meinung, dass die DFL auf dem richtigen Weg war, aber vor allem kommunikativ Fehler gemacht wurden. "Dranbleiben", empfiehlt der Wirtschaftswissenschaftler von der Handelshochschule Leipzig im kicker-Interview und fordert: "Alle müssen an einen Tisch. Fans müssen akzeptieren, dass die Bundesliga ein Unternehmen ist. Zugleich müssen alle Stakeholder, also auch die Vereinsmitglieder, mit den notwendigen entscheidungsrelevanten Informationen ausgestattet werden."

Herr Zülch, die Bundesliga wird keine strategische Partnerschaft mit einem Private-Equity-Partner eingehen. Ist das aus Sicht des sportaffinen Wirtschaftswissenschaftlers ein Fehler?

Ja, das ist es. Das Charmante an dem Deal wäre gewesen, dass das Geld nicht in die Klubs selbst, sondern in das Produkt investiert worden wäre, um die Marke Bundesliga international sowie für weitere Kundengruppen attraktiver zu gestalten. Langfristig hätten somit die Wachstumspotenziale zum Wohle aller gehoben werden können. Die DFL hätte das Geld zentral investiert, es wäre nicht im Schuldenschlund mancher Klubs versickert. Anders gesagt: Wenn jeder Klub ein paar Hunderttausend Euro oder gar ein paar Millionen Euro mehr zur Verfügung hat, um Spieler zu kaufen, wird das die strategische Situation der Bundesliga nicht verändern. Es geht aber hier nicht um die Klubs, sondern das Konstrukt Bundesliga. Ist dieses attraktiv, ist ein hoher Geldrückfluss für Liga und Klubs garantiert.

Thema
Die Liga und der "strategische Partner"

Die Diskussion um einen DFL-Investor

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  • Für Investitionen u.a. in Digitalisierung wollte die DFL-Führung Kapital von einen Investor einholen.
  • Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde bei der geheimen Abstimmung auf die Stimme genau erreicht.
  • Nach einer außerordentlichen Sitzung hat die DFL beschlossen, den Partnerprozess nicht weiterzuführen. 

Der Deal scheiterte wegen der Kontroverse um die Stimmabgabe Martin Kinds und die öffentliche Debatte daraus. Wie wäre er rein inhaltlich zu bewerten gewesen?

Ich weiß nicht, was die beiden Geschäftsführer mit CVC ausgehandelt haben, aber glaubt man ihren Aussagen im kicker-Interview, so war das Resultat doch positiv und innerhalb der roten Linien, die man sich gegeben hat. Der Ansatz in Form des Rechteverkaufs war clever, weil die DFL damit gezielt in systemische Verbesserungen hätte investieren können, die langfristig das System Bundesliga gestärkt hätten. So hätte man die Klubs nachhaltig und gezielt unterstützen können, beispielsweise für den Ausbau von Nachwuchsleistungszentren, was das Geschäftsmodell tragfähiger macht. Ich verstehe dabei indes eine Sache nicht.

Welche?

Dass man einfach abgebrochen hat, ohne allen 36 Klubs den offenbar fast schon final ausgehandelten Deal zu präsentieren. So zumindest habe ich die jüngsten Aussagen der Geschäftsführer Dr. Marc Lenz und Dr. Steffen Merkel verstanden. Mit diesen Informationen hätten alle Klubvertreter das Gespräch mit ihren Mitgliedergremien suchen können. Auf der kommunikativen Ebene hat man schlecht gearbeitet.

Nur durch eine strategische Investition in die Zukunft können wir unser Alleinstellungsmerkmal, die deutsche Fankultur, langfristig bewahren.

Henning Zülch

Können Sie das konkretisieren?

Die gesamte Debatte ist offensichtlich überlagert durch die permanente 50+1-Diskussion und die Angst um den Verlust von 50+1, obwohl die Zentralvermarktung doch eine wirtschaftliche Versicherung dieser Regelung darstellt. Nur durch eine strategische Investition in die Zukunft können wir unser Alleinstellungsmerkmal, die deutsche Fankultur, langfristig bewahren. Hier stellt sich dann auch die Frage, ob und welche Strategie existiert, wo die Liga mit ihren Klubs in den nächsten fünf Jahren stehen soll. Ich gehe davon aus, dass es so etwas gibt, aber diese wurde noch nie kommuniziert. Das reicht dann nicht, um alle mitzunehmen, und wird immer zu Ablehnung führen, wenn ich nicht weiß, wohin es gehen soll.

Was hätte besser laufen müssen?

Es gab zahlreiche Treffen mit Klubvertretern, aber man hätte die Basis stärker angehen müssen mit einer Art vertrauensbildenden Roadshow, wie bei einem Börsengang. DFL und Klubs hätten gemeinsam hybride Infoveranstaltungen aufsetzen können, klassische Aufklärungsarbeit also, um die drängenden Fragen zu klären: Was sind eigentlich Investoren? Welche Strategie verfolgt die DFL? Was passiert mit 50+1? Zu allem Überdruss: Es gibt keine Person in der DFL, die sich dem öffentlichen Diskurs moderat, sachkundig und vermittelnd stellt.

Die Klubs schreiben wohl einen Umsatzrekord, eigentlich müsste doch eine Finanzierung aus dem Bestand möglich sein. Damit wäre ein Investor nicht mehr nötig.

Die Argumentation, dass ein Umsatzwachstum einen Investor überflüssig mache, ist nicht zutreffend. Es geht doch zum einen darum, auf einen Schlag hohe Summen zu investieren, etwa die 600 Millionen Euro für zentrale Projekte und 100 Millionen Euro für Auslandsaktivitäten der Klubs. Dieses Geld kann ich nicht so ohne Weiteres von einzelnen Klubs bekommen, auch nicht anteilig. Dieses Geld müsste verdient werden. Geht es um große Investitionen in das Gesamtprodukt Bundesliga, sind die Klubs und auch die DFL überfordert. Eine strategisch tragfähige Finanzierung muss her.

Abgabesatz-Erhöhung würde "ungleichen Wettbewerb zementieren"

Die Liga könnte vorübergehend den Abgabensatz um weitere acht Prozent erhöhen. Das würde den FC Bayern beispielsweise in fünf Spielzeiten in Serie pro Saison verkraftbare acht Millionen Euro mehr kosten. Mainz 05 dagegen unseren Berechnungen zufolge vier bis fünf Millionen, was einen Klub dieses Formats schon schmerzen dürfte.

Genau das ist der Punkt, das würde den ungleichen Wettbewerb in der Liga weiter zementieren. Da Mainz 05, um bei Ihrem Beispiel zu bleiben, sich durch gutes Wirtschaften ein gutes Eigenkapital aufgebaut hat, könnte ein solcher Klub das auch hinbekommen. Aber wir haben eben auch mehrere Klubs in der Bundesliga und der 2. Liga, die über ein negatives Eigenkapital verfügen. Die würde es zerreißen oder es würde sie zum Ausverkauf zwingen mit der Folge des Abstiegs.

Was automatisch zu der Frage führt: Wie steht die Bundesliga denn wirtschaftlich da?

Die Klubs sind nicht auf Rosen gebettet. Laut den aktuellen DFL-Kennzahlen haben 20 der 36 Vereine aus der Bundesliga und der 2. Liga zuletzt einen Verlust erwirtschaftet. Sechs weisen ein negatives Eigenkapital auf, das heißt, sie sind bilanziell überschuldet. Schaut man sich die bei vielen Klubs bei über 60 Prozent liegende Personalaufwandsquote an und auch den Verschuldungsgrad von teils über 100 Prozent, spricht dies nicht für gesunde Klubstrukturen. In der Gesamttendenz fehlt für wegweisende Investitionsvorhaben das Geld bei den Klubs.

Wie sieht denn dann Ihre Lösung für das Investitions-Dilemma aus?

Gehen wir doch mal die Möglichkeiten ganz einfach durch. Fremdfinanzierung und Binnenfinanzierung wurden im November 2023 von nur einer Handvoll Klubs befürwortet. Warum sollte dies jetzt anders sein?

Womöglich hat das Nein zum strategischen Partner diese Sichtweise verändert.

Das ist nicht auszuschließen, aber: Eine Fremdfinanzierung arbeitet mit sehr ambitionierten Zinssätzen für die Liga respektive die Klubs, da sich der Fremdkapitalgeber das erhöhte Risiko bezahlen lassen wird. Lediglich für große und wirtschaftlich stabile Klubs, also solche mit einer vernünftigen Eigenkapitalquote, ist das eine Option. Die Binnenfinanzierung hingegen würde bei den Klubs zu Einbußen im höheren einstelligen Millionenbereich führen. Das würde im Zweifel, wie gesagt, die Bayern eher weniger tangieren. Aber Klubs wie Mainz 05 oder der VfL Bochum müssten gegebenenfalls geplante Investitionen zunächst zurückstellen. Das will keiner! Also: Da bleibt doch nur ein Eigenkapitalgeber. Diesen Begriff verwende ich lieber als den des strategischen Partners oder Investors.

Warum?

Weil es nicht den einen Typus Investor gibt, sondern unzählige Arten davon. Ich kann aufgrund mehrerer negativer Beispiele in Deutschland Vorbehalte nachvollziehen. Die Integration von Investoren oder eben besser Eigenkapitalgebern muss sehr gut überlegt sein. Ein "cultural fit" muss zum einen existieren, der dem Klub, der Liga, den Fans und auch dem Eigenkapitalgeber selbst gerecht wird. Die unterschiedlichen Parteien müssen also kulturell zueinander- passen.

Zum anderen konnten wir empirisch feststellen, dass institutionelle Investoren die Profitabilität eines Klubs signifikant erhöhen können, da sie diesen nachhaltig professionalisieren. Die Umsätze steigen nicht unbedingt ad hoc, aber die Effizienz erfährt einen Schub. Der sportliche Erfolg stellt sich sodann ebenso nachgelagert ein. Schließlich konnten wir anhand von Expertenbefragungen und realen Fällen feststellen, welche Investmentstrategien mit welchen Implikationen Eigenkapitalgeber verfolgen. Also: Eine differenzierte Auseinandersetzung mit Investoren und auch das Finden des 'guten' Investors ist durchaus möglich.

Wir werden den Weg der Serie A von vor zehn Jahren gehen. Wir werden unwichtiger.

Henning Zülch

Wohin führt nun der Weg der Liga?

Wir werden weiterleben. Wir werden weiter ins Stadion gehen. Wir werden aber weniger Stars mit Strahlkraft erleben. Wir werden weniger Euphorie für die Bundesliga international erleben. Wir werden den Weg der Serie A von vor zehn Jahren gehen. Wir werden unwichtiger. Es wird die Investitionen geben, aber nicht in dem Maße, in dem es der Liga guttun würde, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir werden auch weniger Geld für unseren Nachwuchs haben. Die Schwäche der Liga wird sich noch weiter auf die Nationalmannschaft auswirken. Das wäre das Worst-Case-Szenario. Das muss nicht so kommen, wenn endlich begriffen wird, dass alle vernünftig an einen Tisch müssen. Fans müssen akzeptieren, dass die Bundesliga ein Unternehmen ist. Zugleich müssen alle Stakeholder, also auch die Vereinsmitglieder, mit den notwendigen entscheidungsrelevanten Informationen ausgestattet werden.

Interview: Benni Hofmann