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Konkrete Erkenntnisse besitzt auch Zeuge Hoeneß nicht

Aussage beim Sommermärchen-Prozess

Konkrete Erkenntnisse besitzt auch Zeuge Hoeneß nicht

90 Minuten im Zeugenstand: Uli Hoeneß.

90 Minuten im Zeugenstand: Uli Hoeneß. Getty Images

Der mit Spannung erwartete Auftritt von Uli Hoeneß als Zeuge förderte nur wenig Substanzielles zutage, war dafür aber umso unterhaltsamer. Ungefähr so lange wie ein Fußballspiel saß der Ehrenpräsident des FC Bayern auf dem Zeugenstuhl und sprach über das aus seiner Sicht zu Unrecht in Mitleidenschaft gezogene Lebenswerk von Franz Beckenbauer, seine eigene Freundschaft zu Darlehensgeber Robert Louis-Dreyfus, die Rolle des ehemaligen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder sowie den früheren Beckenbauer-Manager Robert Schwan.

In Frankfurt sind die ehemaligen DFB-Spitzenfunktionäre Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall angeklagt. Ihnen wird zur Last gelegt, in der Steuererklärung des Verbands für das Jahr 2006 eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro zu Unrecht als Betriebsausgabe geltend gemacht zu haben. Dieser Betrag war im Jahr zuvor an den Weltverband überwiesen worden mit dem Hinweis auf eine WM-Gala, die nie stattfand. Die FIFA leitete das Geld an Louis-Dreyfus weiter, der Beckenbauer 2002 ein Darlehen in gleicher Höhe gegeben hatte.

TV-Rechte? Schmiergeld? Die Frage nach den 6,7 Millionen

Die 6,7 waren vor nunmehr 22 Jahren nach Katar geflossen, wobei auf den Überweisungsträgern mehrmals der Verwendungszweck "Asiagames" auftauchte, was auch beim Gericht den Verdacht nährt, es könnte sich um den Kauf von TV-Rechten gehandelt haben. Eine andere Möglichkeit wäre, dass korrupte FIFA-Funktionäre geschmiert wurden, die beim Zuschlag für die WM 2006 für Deutschland gestimmt hatten.

"Wer Robert Schwan kennt, der weiß, es geht ihm nicht darum, dass andere profitieren, sondern darum, dass er und seine Freunde profitieren. Dass er sich für Stimmenkauf hergegeben hat, ist undenkbar", betonte Hoeneß im großen Gerichtssaal I des Landgerichts, dessen Zuschauerplätze am vierten Verhandlungstag besonders zahlreich besetzt waren.

Die FIFA war damals ein ziemlich korrupter Haufen, aber ich bin heute noch überzeugt, dass ein seriöses Land wie Deutschland so etwas nicht macht.

Uli Hoeneß über einen potentiellen Stimmenkauf

Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin Eva-Marie Distler musste Hoeneß allerdings einräumen, gar nicht so genau zu wissen, wofür das Geld verwendet wurde, wie er 2020 in einer TV-Sendung und 2021 in einem Podcast behauptet hatte. Dass es für einen Stimmenkauf floss, hält er prinzipiell für ausgeschlossen: "Die FIFA war damals ein ziemlich korrupter Haufen, da war es zwar naheliegend, dass man darüber nachdenken konnte, Stimmen zu kaufen, aber ich bin heute noch überzeugt, dass ein seriöses Land wie Deutschland so etwas nicht macht."

Louis-Dreyfus, mit dem Hoeneß eng befreundet war, habe Andeutungen gemacht, dass das Darlehen an Beckenbauer in Zusammenhang mit der Geschäftstüchtigkeit von Schwan stehe. Dieser habe mit Mayer-Vorfelder ausgehandelt, wie das Geld an den Geldgeber zurückgezahlt werden sollte, was sich mehrfach verzögerte. "Meiner Erinnerung nach hatte Louis-Dreyfus die Zusage von Mayer-Vorfelder, dass es irgendwann zurückkommt", so Hoeneß. "Wenn ich dann höre, der DFB-Präsident gibt so eine Summe frei und weiß davon nix, da lache ich mich tot", ergänzte der ehemalige Bayern-Boss.

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"Nicht mit harten Fakten unterlegt": Staatsanwaltschaft über Hoeneß' Zeugenaussage

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Schon im Vorfeld der Zeugenaussage tauchte am vierten Verhandlungstag häufiger der Name Fedor Radmann auf. Das Gericht verlas drei Protokolle der Vernehmungen von Beckenbauer durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt sowie die Bundesanwaltschaft in der Schweiz. 2016 und 2017 hatte der ehemalige Chef des WM-Organisationskomitees mehrmals zu Protokoll gegeben, dass die 6,7 Millionen "als eine Art Provision" gezahlt worden seien für einen WM-Zuschuss in Höhe von 170 Millionen Euro und zwar an Mitglieder der FIFA-Finanzkommission. Dieser gehörten unter anderem die später gesperrten Funktionäre Mohammed Bin Hammam und Jack Warner an.

Beckenbauers Lebensleistung für Hoeneß "ungerechtfertigt herabgesetzt"

Über den Zweck der Zahlung vermochte auch Hoeneß keine konkreten Angaben zu machen. Beckenbauer, Schwan, Mayer-Vorfelder und Louis-Dreyfus sind inzwischen verstorben. Licht ins Dunkel könnte der frühere Beckenbauer-Vertraute Radmann, der Vizepräsident des WM-OK war, bringen. Er wird vermutlich als Zeuge geladen. Auf der Zeugenliste steht auch der ehemalige DFB-Präsident Fritz Keller, der allerdings erst später im Amt war und zur Untersuchung von Esecon, das die Geldflüsse aufklären sollte, befragt werden soll. Esecon hinterließ wie schon zuvor der Freshfields-Bericht bei Hoeneß "das Gefühl, dass alles gemacht wurde, mit dem Ziel, nichts zu finden".

Insgesamt hätte sich Hoeneß deutlich mehr Rückendeckung für Beckenbauer durch den DFB gewünscht. Aufgrund der vielen offenen Fragen werde in den Medien "seine Lebensleistung vollkommen ungerechtfertigt herabgesetzt". Dass die Vergabe der WM 2006 durch einen Stimmenkauf manipuliert wurde, ist aus der Sicht von Hoeneß "eine nicht nachweisbare Behauptung". Unter diesen Verdächtigungen habe Beckenbauer enorm gelitten.

Michael Ebert