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Rewe Final4: Handball zwischen Euphorie und Fan-Kritik

HBL-Chef Bohmann verspürt Rückenwind "wie noch nie"

Rewe Final4: Handball-Spektakel zwischen Wachstumseuphorie und Fan-Kritik

Rewe Final4 in Köln: Die HBL will das Event professionalisieren, damit es attraktiv für Fans und Sponsoren bleibt.

Rewe Final4 in Köln: Die HBL will das Event professionalisieren, damit es attraktiv für Fans und Sponsoren bleibt. IMAGO/Sven Simon

SC Magdeburg gegen die Füchse Berlin und SG Flensburg-Handewitt gegen MT Melsungen: Das Endspiel-Wochenende um den deutschen Handball-Pokal steht in allererste Linie für das sportlich Beste, was der deutsche Klub-Handball mitunter zu bieten hat.

Längst ist das Event, das unter dem Namen "Rewe Final4" firmiert, auch zu einem Spektakel abseits des Spielfelds geworden. Der Gesamtumsatz des Endspielwochenendes um den deutschen Handball-Pokal dürfte nach Schätzung des kicker bei rund 3,5 bis vier Millionen Euro liegen. Davon entfallen ganz grob rund 40 Prozent auf den Umsatzbereich Sponsoring und 60 Prozent auf das Ticketing. Einnahmen durch Medienrechte kommen sogar noch on top, da sie beispielsweise im Gesamtrechtepaket inkludiert sind, das die Verantwortlichen der Liqui Moly Handball-Bundesliga (HBL) mit Übertragungspartner Dyn Media geschlossen haben.

Ein Detailblick in die drei Umsatzbereiche Sponsoring, Ticketing und Medien verrät: Das Rewe Final4 befindet sich nach dem Umzug von der Hamburger Barclays Arena in die noch einmal deutlich größere Kölner Lanxess-Arena in einer neuen Dimension: Neue Partner aus der Wirtschaft werben zum Teil erstmals im Handball und die mediale Produktion soll 2024 neue Standards setzen. Doch während Dyn-Gründer Christian Seifert frohlockend vom "Super Bowl des Handballs" spricht, echauffieren sich Fanklubs aufgrund von gestiegenen Ticketpreisen in einem offenen Brief an die HBL-Führung und nutzen dabei Begriffe wie "Jahrmarkt" und "Großraumdiskothek". Irgendwo in der Mitte liegt die Wahrheit.

Ticketing-Diskurs: HBL kommt Fans entgegen

In einer ersten Antwort auf den offenen Brief der Fanklubs rechtfertigte Liga-Chef Frank Bohmann die höheren Ticketpreise noch unter anderem mit "höheren Kosten für Arena und Catering und sonstigen Nebenkosten nach der Corona-Pandemie", die "um rund 40-50 Prozent gestiegen" seien.

Wir haben den Fanklubs zugesagt, dass ab dem Final4 2025 auch in den Klub-Kontingenten ein größerer Anteil der günstigsten Preiskategorie verfügbar ist.

Frank Bohmann, Geschäftsführer, Liqui Moly Handball-Bundesliga

In den vergangenen Wochen entwickelte sich schließlich ein Dialog zwischen Fans und Liga, der nun in einem Kompromiss mündet, wie Bohmann gegenüber dem kicker ausführt. Dabei betont der Liga-Geschäftsführer zunächst: "Wir halten das Preisniveau eher für moderat, insbesondere im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen, zu normalen HBL-Spielen oder zu Konzerttickets. Der Preis für die günstigste Preiskategorie, von der es in Köln mehr als 2.500 Tickets gibt, hat sich seit 2003 von 55 auf 74 Euro gesteigert." Nichtsdestotrotz bewegt sich die Liga auf die Fans zu: "Wir haben im persönlichen Dialog mit den Fanklubs allerdings zugesagt, dass ab dem Final4 2025 auch in den Klub-Kontingenten ein größerer Anteil der günstigsten Preiskategorie verfügbar ist", sagt Bohmann. Zudem werde der Dialog mit den Fanklubs "dauerhaft fortgesetzt".

Dyn verspricht "größten Aufwand", der jemals betrieben wurde

Begriffe wie der von Christian Seifert ins Spiel gebrachte "Super Bowl" kommen insbesondere vor dem Hintergrund der höheren Ticketpreise bei vielen Fans nicht nur positiv an. Denn während das Saison-Highlight der NFL zu einem "sportlichen Marketing-Spektakel" mutiert ist, hat sich der Handball auch außerhalb der eigenen Reihen längst einen Namen als wohl bodenständigste Teamsportart überhaupt gemacht.

Beim genaueren Hinsehen ist allerdings fairerweise einzuordnen, dass sich Seiferts Aussagen allen voran auf die mediale Produktion des Rewe Final4 beziehen - und nicht auf das Drumherum vor Ort in der Arena. Dyn zeigt alle vier Spiele live und auf Abruf, erstmals bei einer nationalen Handballpartie werden dabei 24 Kameras eingesetzt.

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"Wir produzieren das Rewe Final4 mit dem größten Aufwand, der jemals für ein Spiel eines nationalen Wettbewerbs betrieben wurde. Es ist neben den Endspielen bei Olympia, Europa- und Weltmeisterschaften sowie dem Finale der EHF Champions League das bedeutendste Handball-Event der Welt", sagt Dyn-Gründer Seifert. "Dieser herausragenden Stellung des DHB-Finalturniers" wolle Dyn Rechnung tragen "und damit noch mehr Fans für diesen großartigen Sport begeistern". Das Rewe Final4 wird in diesem Jahr in über 60 Ländern zu sehen sein, 2023 waren es noch rund 40.

Sponsoring: "Rückenwind wie noch nie"

Im Sponsoring-Bereich freuen sich die Liga-Verantwortlichen derweil über großen Zuspruch. Neben vielen bekannten Partnern konnte die HBL auch zum Teil gänzlich neue Sponsoren für das Event gewinnen. Insbesondere der Automobilhersteller Ford fällt hier ins Auge, ist es für Sportrechtehalter doch seit einigen Jahren sehr herausfordernd, Unternehmen aus der angeschlagenen Industriebranche zu finden. Beim Zustandekommen der Partnerschaft dürfte auch der Umzug des Events nach Köln geholfen haben, wo Ford seinen europäischen Hauptsitz hat. Ebenfalls neu und erstmals als Sponsor an Bord ist Vutter, ein Anbieter für vegane Hundenahrung. In Summe werben beim Rewe Final4 über 15 Unternehmen unter anderem auf Bodenklebern und LED-Banden, die in den TV-Übertragungen zu sehen sind.

"Der Handballsport erfährt momentan einen Rückenwind, wie ich ihn in dieser Form noch nie gespürt habe. Das Interesse ist nicht zuletzt durch die überaus erfolgreiche Heim-EM sowohl bei Fans, Medien als auch Sponsoren deutlich stärker als noch vor einigen Jahren", sagt Bohmann im Gespräch mit dem kicker.

Klub-Umsätze steigen um 30 Prozent

Die aus seiner Sicht erfreuliche Marktlage im Handball zeigt sich laut Bohmann nicht nur an Vermarktungserfolgen der Liga-Organisation HBL und ihren Wettbewerben. "Wir können aus dem aktuellen Lizenzierungsverfahren für die kommende Saison schon jetzt ablesen, dass es auch auf Ebene der Klubs zum Teil große Zuwächse im Bereich Sponsoring gibt", sagt der Liga-Chef.

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Für Bohmann ist weiteres Wachstum elementar wichtig, um den Handballsport auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu halten. Dafür hat der HBL-Geschäftsführer bereits vor Corona eine Verdopplung des Gesamtumsatzes der 18 Erstligisten ausgerufen - von 110 Millionen Euro im Jahr 2019 auf dann 220 Millionen Euro im Jahr 2028. "Wir sind seitdem trotz Corona um rund 30 Prozent gewachsen. Und ich bin mir aufgrund der aktuellen Entwicklungen sicher, dass wir unsere Wachstumsziele bereits vor 2028 erreichen werden", zieht Bohmann nun ein erstes Zwischenfazit. Zusammengerechnet kämen die erste und zweite Liga laut des HBL-Geschäftsführers schon heute auf einen jährlichen Gesamtumsatz von über 200 Millionen Euro.

Bleibt Rewe Namensgeber?

Der von Bohmann beschriebene "Rückenwind" hat allerdings noch nicht dazu geführt, dass Namensgeber Rewe sein Engagement auch für die kommenden Jahre verlängert. Die Partnerschaft läuft Stand heute fristgerecht nach dem Event 2024 aus.

Rewe war 2015 in einem weitaus schwierigeren Marktumfeld als Namensgeber auf den zuvor jahrelangen Partner Lufthansa gefolgt. Seitdem liegt die jährliche Lizenzsumme nach Recherchen des kicker in einem niedrigen sechsstelligen Euro-Bereich. Aus Sicht der Liga dürfte das künftig nicht mehr genug sein, um das größte Sponsoring-Paket des Events zu belegen. Ob das Handelsunternehmen die Partnerschaft nach zehn Jahren weiterführen wird, hängt demnach auch davon ab, ob es bereit ist, eine womöglich deutliche Steigerung der Lizenzsumme in den mittleren bis hohen sechsstelligen Bereich mitzugehen.

Eine Preissteigerung des Namensgeber-Rechts könnte die Liga zum einen mit dem von Bohmann beschriebenen gestiegenen Interesse von Fans, Sponsoren und Medien an der Sportart Handball argumentieren. Dazu passt auch der Abschluss mit Daikin als neuer Namensgeber der HBL ab der Saison 2024/25 - hier konnte die Liga die jährliche Lizenzsumme um gleich mehrere Millionen Euro steigern. Zum anderen hat das Rewe Final4 durch den Umzug aus der Hamburger Barclays Arena (Kapazität: 13.300 Zuschauer) in die Kölner Lanxess Arena (19.250) größentechnisch ein neues Level erreicht.

Steigerung von Lizenzsummen "nicht um jeden Preis"

HBL-Geschäftsführer Bohmann will sich zu den anstehenden Verhandlungen mit dem Namensgeber Rewe nicht konkret äußern. Er sagt lediglich: "Wir werden uns unmittelbar nach dem diesjährigen Event mit der Rewe Group zusammensetzen. Als Bestandspartner ist sie auch unser erster Ansprechpartner und wir würden uns freuen, in eine gemeinsame Zukunft zu gehen."

Unterm Strich ist es Bohmann wichtig zu betonen, dass es ihm und der Liga "nicht um Steigerungen von Lizenzsummen um jeden Preis" geht. Er sagt: "Unser Final4 ist eines der besten Handballevents der Welt - und wir wollen es weiter professionalisieren, damit es allen voran für die Fans, aber auch für Spieler, Teams und Sponsoren attraktiv bleibt."

Henning Eberhardt